Philipp Melanchthon wird vorgestellt

»Philipp Melanchthon war der Diplomat der Reformation. Er wollte die Kirche reformieren und nicht spalten.«

Pastor Dr. Bernd Kuschnerus

Von Pastor Dr. Bernd Kuschnerus

Philipp Melanchthon – der Namensgeber für die Melanchthon-Kirche

Wer war Philipp Melanchthon? Darauf gibt es viele Antworten: Er war der Lebensfreund und Mitstreiter Martin Luthers und ein Freund Johannes Calvins, ein großer Reformator und ein bedeutender Humanist, ein Universalgelehrter und ein Politikberater, ein Bildungserneuerer und ein Brückenbauer zwischen den Konfessionen. Aber der Reihe nach!

Am 16.02.1497 wurde Philipp Schwarzerdt geboren. Schon in der Schule fiel seine Sprachbegabung im Lateinischen und Griechischen auf. Sein Großonkel Johannes Reuchlin war einer der berühmtesten Humanisten Deutschlands. Der Humanismus wollte durch Bildung die Menschen zu wahrer Menschlichkeit führen. Dieser Bildung diente das Studium der antiken lateinischen, griechischen und hebräischen Quellen. Johannes Reuchlin übersetzte Philipps Nachnamen ins Griechische. Aus Schwarzerdt wurde Melanchthon. Das war die Berufung in die humanistische Gelehrtenwelt. Nach dem Studium in Heidelberg und Tübingen erhielt Melanchthon mit fast 17 Jahren den Magister-Grad.

Mit erst 21 Jahren wurde Melanchthon 1518 Professor für Griechisch an der Universität Wittenberg. Die Studenten werden über die mutige Antrittsvorlesung ihres jungen schmächtigen Griechisch-Professors gestaunt haben. Er wollte eine bessere Bildung vermitteln und rief zur Freude am Denken auf: »Habt Lust daran, eure Verstandeskräfte einzusetzen!« Ein Student urteilte: »Vermeintest, er wäre ein Knab gewesen, von Geist aber ein Ries.« Rasch schloss sich Melanchthon Martin Luthers Reformation an und wurde einer ihrer wichtigsten Vertreter. »Ich habe von ihm das Evangelium gelernt«, sagte er über Luther. Auch Luther war beeindruckt: »Dieser kleine Grieche übertrifft mich sogar in der Theologie«.

So unterschiedlich sie waren, so eng war ihre Freundschaft. Luther brauchte den gründlich gebildeten Melanchthon an seiner Seite und fand in ihm seinen wichtigsten Verteidiger und Mitstreiter. Bahnbrechend für evangelische Theologie war Melanchthons Buch über die Grundbegriffe der Gotteslehre. Melanchthon nutzte die von Erasmus gelernte humanistische Wissenschaft zur Darstellung der Themen, die er in der Bibel – seiner Quelle – entdeckte. »Ihr findet kein Buch unter der Sonne, da die ganze Theologie so fein beieinander ist, als in den Loci Communis«, lobte Luther seinen Freund.

Philipp Melanchthon war der Diplomat der Reformation. Oft stand auf den Reichstagen und bei Religionsgesprächen der Frieden auf dem Spiel. Melanchthon ging es um Wahrheit und um Frieden. Er wollte die Kirche reformieren und nicht spalten. Darum wollte er vermitteln und wichtige Themen von unwichtigen unterscheiden. Mit dem Satz »Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren«, machte Melanchthon seine Einstellung deutlich. Melanchthon verfasste 1530 das Augsburger Bekenntnis. In 28 Artikeln fasste er die wichtigen Glaubensthemen zusammen. Es ist wohl das bedeutendste evangelische Bekenntnis der Reformationszeit
geworden. Nicht nur mit der römischen Kirche verhandelte Melanchthon. Auch zwischen den evangelischen Parteien gab es Streit. Der ständige Ärger verdüsterte Melanchthons Lebensjahre. Doch Melanchthon ist ein geistiger Vater für eine Union der evangelischen Kirchen und für die Ökumene geworden.

Melanchthon wurde der »Lehrer Deutschlands« genannt. »Wer Philippus nicht als Lehrer anerkennt, der muss ein rechter Esel sein, den der Dünkel gebissen hat. Was wir in den Künsten und der wahren Philosophie wissen, verdanken wir dem Philippus. Er ist ein Doktor über alle Doktoren. Es ist auf Erden keiner, den die Sonne bescheint, der solche Gaben hat«, urteilte bereits Luther. Schulen und Universitäten dienten nach Melanchthon der Wahrheit und Gerechtigkeit. Sie waren für ihn Bollwerke gegen die Barbarei. Daher wirkte Melanchthon an Universitätsreformen und Schulgründungen mit. Er verfasste Schulordnungen und Lehrpläne. Generationen lernten nach seinen Methoden, sich vernünftig und verständlich auszudrücken. Seine Lehrbücher unterschiedlicher Fächer waren lange Zeit überall in Gebrauch, auch in katholischen Gegenden. Melanchthon war ein erfolgreicher Lehrer. Seine Vorlesungen besuchten mehr Studenten als die Luthers. Melanchthon kannte auch die Mühen des Lehreralltags. Er nahm es mit Humor: »Welcher Esel hat in irgendeiner Mühle so viel Schlimmes ertragen müssen, wie ein ganz gewöhnlicher Erzieher?«, fragt Melanchthon in seiner Rede »Lehrers Leiden«. Er erhoffte selbst das Jenseits noch als eine »himmlische Akademie«.

Melanchthon hat ein enormes Arbeitspensum bewältigt. Er unterrichtete von morgens bis abends. Hunderte von Büchern, Schriften und Reden verfasste er. Auch in der Kirchenleitung war Melanchthon tätig. Im Auftrag seines Kurfürsten machte er zahlreiche Gemeindebesuche (Visitationen), die der Stärkung des evangelischen Glaubens dienen sollten. Mit Gutachten und Stellungnahmen beriet er Fürsten und Städte, darunter auch Bremen, und sogar die Könige von Frankreich und England. Schüler Melanchthons wie der Domprediger Albert Rizaeus Hardenberg, Bürgermeister Daniel von Büren der Jüngere und der Superintendent Christoph Pezel sind für die Bremische Kirchengeschichte wichtig geworden.

Martin Luther wollte seinen Freund versorgt wissen. Melanchthon sollte heiraten. So wurde er im Alter von 23 Jahren 1521 mit der gleichaltrigen Wittenbergerin Katharina Krapp getraut. Nur widerwillig ging er diese Ehe ein. Er wollte nicht von seiner Arbeit abgelenkt werden. Doch scheint er mit der Zeit seine Frau lieb gewonnen zu haben. Katharina und Philipp hatten vier Kinder. Ihr Sohn Georg starb schon im Alter von fast drei Jahren. Auch die frühe unglückliche Ehe und der Tod der ältesten Tochter Anna stürzten ihn in Verzweiflung. Als seine Frau Katharina 1557 starb, trauerte Melanchthon sehr um sie. Wenige Jahre später, am 19.04.1560, starb auch Philipp Melanchthon. Er hatte gehofft, mit dem Tod endlich vom Streit der Theologen befreit zu sein, ins Licht zu gelangen, Gott zu schauen und alle wunderbaren Geheimnisse Gottes begreifen zu lernen, die zu verstehen er sich sein Leben lang bemüht hatte.