Pastor Dr. Bernd Kuschnerus zum assistierten Suizid

"Wir haben eine Kultur der Lebensbejahung"

Lesen Sie zur Debatte um den assistierten Suizid eine kritische Stellungnahme von Schriftführer Pastor Dr. Bernd Kuschnerus.

Wer in der Frage des assistierten Suizids entscheidet, trägt eine große Verantwortung, denn wir haben eine Kultur der Lebensbejahung. Mich  bewegt der Gedanke, dass wir sie zugunsten individueller Freiheit aushöhlen und die Selbsttötung in Lebenskrisen zur normalen Option wird.

Ich will nicht ausschließen, dass eine Gesellschaft der Freien und Autonomen
den Kranken und Schwachen eines Tages zu verstehen gibt, dass sie eine Last sind.

Deshalb halte ich es für sehr wichtig, das Thema sensibel und differenziert zu betrachten. Mir ist es wichtig Sterbewünsche ernst zu nehmen und Suizidentscheidungen zu respektieren. Allerdings erfüllt es mich mit Sorge, wenn als Ausweg aus Leid und Not eine Selbsttötung angestrebt wird. Der Sterbewunsch unheilbar erkrankter, schmerzgequälter Patienten ist anders zu betrachten, als die Suizidalität psychisch kranker, alter oder einsamer Menschen. Sobald der assistierte Suizid problemlos möglich ist, sind Menschen frei in der Entscheidung, das mag sein. Aber was, wenn eine Sogwirkung entsteht? Ich will nicht ausschließen, dass eine Gesellschaft der Freien und Autonomen den Kranken und Schwachen eines Tages zu verstehen gibt, dass sie eine Last sind.

Einsamkeit, Altersarmut und Trauer dürfen nicht dazu führen,
dass Menschen des Lebens müde werden.

Ich erwarte ausreichend Mittel für eine menschlich zugewandte Hospizarbeit und Palliativversorgung. Wir brauchen ausreichend kompetente Beratung und psychiatrische Behandlung, um Suiziden aufgrund vorübergehender Lebenskrisen oder psychischer Erkrankungen vorzubeugen. Einsamkeit, Altersarmut und Trauer dürfen nicht dazu führen, dass Menschen des Lebens müde werden.

Ein friedliches Abschiednehmen zu ermöglichen und Menschen
in dieser existenziellen Notlage zu trösten,
ist die vorrangige Aufgabe einer zivilisierten Gesellschaft.

Als Christ betrachte ich das Leben als ein Geschenk Gottes und sehe den klaren Auftrag, verantwortungsvoll damit umzugehen. Nach meiner Überzeugung gehört das Sterben untrennbar dazu. Ein friedliches Abschiednehmen zu ermöglichen und Menschen in dieser existenziellen Notlage zu trösten, ist die vorrangige Aufgabe einer zivilisierten Gesellschaft.