Montag, 19. September 2022

Die Welt und ihre Kinder

Am 20. September ist Weltkindertag. Er soll auf die besonderen Bedürfnisse der Kinder und speziell auf die Kinderrechte aufmerksam machen. Der Weltkindertag wird in mehr als 145 Staaten der Welt begangen, in vielen Ländern auch am 1. Juni. Hier ein Kommentar von Carsten Schlepper zur Lage der Kinder:

Weltweit sind Millionen Kinder in akuter Lebensgefahr. Sie hungern, werden verfolgt und vertrieben, leben auf der Straße oder schuften in Steinbrüchen. Mädchen werden missbraucht und verschleppt und Jungen als Kindersoldaten in den Krieg gezwungen. Sie haben keine Nahrung, kein frisches Wasser oder Medikamente, keine Bildung und keine Perspektive.

In Äthiopien, Afghanistan oder Myanmar leiden Kinder unter Verfolgung oder sind auf der Flucht. Gerade bringt auch der Krieg in der Ukraine Millionen Kinder in Gefahr. Bei den Kämpfen werden pausenlos Wohnhäuser, Kliniken und Flüchtende beschossen. Allein hier wurden bis heute mehr als 200 Schulen zerstört. Und in den von den Taliban beherrschten Gebieten wird Mädchen der Zugang zu Bildung und beruflicher Verwirklichung versperrt. Die Bilder von verängstigten, verletzten oder getöteten Kindern, ob  im Jemen, Mariupol oder Aleppo, gleichen sich auf bedrückende Art und Weise.

Auch im reichen „Westen“ sind Kinder oft in einer schwierigen Lage. In der EU gibt es zwar eine Art Kindergarantie, jedem Kind in Europa Zugang zu Erziehung, Betreuung, Bildung, Gesundheit, Ernährung und Wohnraum zu ermöglichen. Aber das ist nur eine Selbstverpflichtung der Staaten. Hierzulande heißt das „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“, so der Titel des nationalen „Aktionsplanes“. Eine Kindergrundsicherung wird diskutiert, doch deren Einführung kann noch dauern. In Bremen sind 42% der Kinder von Armut bedroht. Hinzu kommen die Geflüchteten, viele von ihnen brauchen Schutz, medizinische Versorgung und psychologische Hilfen.

Kurz: Wir leben auch im 21. Jahrhundert noch in einer Welt, in der Millionen Kinder sich fürchten müssen, weinen, verletzt oder getötet werden und keine oder sehr schlechte Entwicklungs- und Bildungschancen haben.

Kann es sich unsere Welt eigentlich leisten, in vielen Ländern der Erde eine ganze Generation zu traumatisieren und ihnen Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit zu verweigern? Worte wie „Aktionsplan“ machen mich eher stutzig. Sie klingen, als wäre mal wirklich ein Plan gemacht worden, der in komplexen Notlagen nachhaltig hilft, und nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, nicht nur ein kleines Pflaster auf einer viel zu großen Wunde.

Ob auf dem Weltwirtschaftsforum, bei den G7 oder in Brüssel: Es wird viel über den Wiederaufbau der Ukraine gesprochen. Auch auf Reisen nach Afrika oder Asien versprechen Politiker Hilfen.

Das ist auch richtig so. Aber ich hoffe sehr, dass Akuthilfen oder Gelder für den Wiederaufbau in der Ukraine, aber auch in Syrien oder dem Jemen nicht nur Investitionen in Steine, Häuser und Industrie sind, sondern auch in Friedensnetzwerke, Kitas und Schulen, medizinische Versorgung, Pädagogik und Traumatherapie. Ich bin überzeugt: Für eine Zukunft in Frieden und Gerechtigkeit brauchen wir gesunde und fröhliche Kinder – und zwar weltweit.

Carsten Schlepper leitet den Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder und ist Vorsitzender des Kinderschutzbundes Bremen.

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