10. Dezember 2024
Montag, 03. Juli 2023
Seit 125 Jahren ist Kirche am Bremer Bahnhof mit der Bahnhofsmission aktiv. Hier gibt es Kaffee, Klönschnack und Reisehilfe. 20 Menschen sind hier täglich von Montag bis Sonntag ehrenamtlich aktiv. Pastor Bernd Kuschnerus, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, hat die Bahnhofmission heute besucht, für den großen Einsatz gedankt und auch mit angepackt.
Im Gespräch mit Jens Jürgenbering, dem stellvertretenden Leiter der Bremer Bahnhofsmission, ließ sich Bernd Kuschnerus schildern, wie sich die Arbeit seit Corona verändert hat. Früher stand die Versorgung mit Kaffee und Essen im Vordergrund, jetzt ist es die Beratung.
Manchmal ist der heiße Kaffee nur ein Anknüpfungspunkt
für Menschen, die Trost suchen.
In der Bahnhofsmission gibt es für Reisende praktische Tipps, z.B. zu preiswerten Übernachtungsmöglichkeiten bei Zugausfall oder Orientierungshilfe für seh- und hörbehinderte oder fremdsprachige Reisende.
"Für mich war sehr beeindruckend", so Kuschnerus, "wie wichtig auch die Seelsorge ist. Manchmal ist der heiße Kaffee nur ein Anknüpfungspunkt für Menschen, die sich einfach ihren Kummer von der Seele reden möchten und Trost suchen."
Das ist das Schöne hier: Man kommt mit völlig
unterschiedlichen Menschen ins Gespräch.
Heute war Kuschnerus in der Nachmittagsschicht dabei. Begleitet von der jungen Freiwilligen Paula Holm, machte der einen sozialen Rundgang rund um den Bahnhof, schenkte Kaffee aus und schnackte mit den Leuten "Hier konnte ich mich nützlich machen. Auf dem Weg bis zum Nelson-Mandela-Park haben wir mit einigen ein paar Worte gewechselt. Das ist das Schöne hier: Man kommt mit völlig unterschiedlichen Menschen ins Gespräch."
Was die ehrenamtlich Mitarbeitenden hier
täglich leisten, finde ich einfach nur beeindruckend.
Die Bahnhofsmission ist auch erste Anlaufstelle für viele Geflüchtete, die nach Bremen kommen. "Da war hier Ausnahmezustand, als der Angriffskrieg auf die Ukraine ausgebrochen ist, hat mir Jens Jürgenbering erzählt. Täglich standen hier Hunderte. Anfangs war das ein Szenario wie in den Gründungsjahren der Bahnhofsmission vor 125 Jahren. Damals sollten junge Dienstmädchen vom Lande beschützt werden, damit sie in der Stadt nicht unter die Räder kommen. Als im Februar 2022 der Krieg ausbrach, waren es wieder Frauen, die eine sichere Anlaufstelle brauchten, um nicht ausgebeutet zu werden. Was die ehrenamtlich Mitarbeitenden hier bis heute täglich leisten, finde ich einfach nur beeindruckend."
Ganz wichtig findet Bernd Kuschnerus auch den Raum der Stille. "Ich selbst fahre viel mit dem Zug. Da sieht man die Grüppchen, die auf dem Weg zur Konferenz noch intensiv arbeiten, oder den Ärger und die Hetze, wenn der Zug Verspätung hat. Mitten im Trubel des Bahnhofs dann so einen Platz zu haben, zum Ausruhen, Durchatmen oder Nachdenken – das ist ein Geschenk."
Die Bahnhofsmission arbeitet seit 125 Jahren im Brennpunkt gesellschaftlicher Probleme: Am Bahnhof trifft man auf die Nöte, Sorgen und Bedürfnisse psychisch erkrankter, einsamer, verarmter, süchtiger oder bestohlener Menschen.
Es hilft doch nicht, die Wohnungslosen und Drogenabhängigen
einfach zu übersehen oder aus der Bahnhofsgegend zu vertreiben. Die Notleidenden sind dann nicht weg, sie sind nur woanders.
Die Notlagen in und um den Bahnhof findet Kuschnerus deprimierend. Gegen Kriminalität müssten die Reisenden zwar geschützt werden, aber es helfe doch nicht, „die Wohnungslose und Drogenabhängigen einfach zu übersehen oder aus der Bahnhofsgegend zu vertreiben. Die Notleidenden sind dann nicht weg, sie sind nur woanders. Die Stadtgesellschaft darf sie nicht kriminalisieren, sondern muss wirksame Hilfen auf die Beine stellen. Die Bahnhofsmission kann Menschen punktuell unterstützen, aber die Lage ändern kann sie nicht."
Sozialberatung, Migrationsberatung oder Anlaufstellen für Menschen in Notlagen, die Bahnhofsmission ist Wegweiser und stellt Kontakte her, auf Wunsch natürlich anonym und vertraulich.
Es war ein beeindruckender Tag im Bahnhof.
"Wir haben ja deutlich gemerkt," fährt Bernd Kuschnerus fort, "dass Corona und der Ukraine-Krieg viele Menschen nachhaltig verunsichert und aus dem Tritt gebracht haben. Deshalb ist es gut, dass man ihnen in der Bahnhofsmission mit Respekt und Empathie begegnet, damit sie ihre Würde behalten. Ich bin dankbar, dass ich heute hinter die Kulissen schauen konnte. Es war ein beeindruckender Tag im Bahnhof.“