10. Dezember 2024
Predigt zum Heiligabend 2023
Pastor Dr. Bernd Kuschnerus, Schriftführer in der Bremischen Evangelischen Kirche, predigt im Festgottesdienst der Melanchthonkirche.
Ich erinnere mich, als ich ein Kind war, da war ich mit meinen Eltern in einem Museum.
Das war ein schöner Ausflug für mich.
Was gab es in den großen Räumen alles zu entdecken.
Gegenstände aus aller Welt lagen in den Vitrinen.
Ich fand das faszinierend. Und auch etwas unheimlich.
Ich erinnere mich an das Erschrecken,
als ich in einem Raum unvermittelt auf eine unheimliche Maske traf.
Ich war total erschrocken.
So furchtbar starrten mich die leeren Augen an.
So beunruhigend war der schreckliche Mund,
als wollte er mich fressen.
Die Maske war stumm. Stumm und tot.
Doch zugleich strahlte sie eine beängstigende finstere Macht aus.
Mich hat das als Kind nachhaltig beeindruckt.
Noch immer kann ich mir den Schauer noch vergegenwärtigen.
wie gut, dass meine Eltern in der Nähe waren.
an ihrer Hand fühlte ich mich sicher.
Ihr liebevoller Blick begleitete mich.
Ich weiß nicht mehr, was für eine Maske es war.
Sollte sie einen Gott oder einen Dämon darstellen?
Keine Ahnung.
Vielleicht verbanden andere Menschen etwas anderes mit dieser Maske.
Ich erinnere mich nur an meine Kinderperspektive.
Daran, was dieses Bildnis in mir ausgelöst hat.
Mir kommt es so vor,
als ob unsere Wirklichkeit sich manchmal mit einer solchen Schreckens-Maske zeigt.
Etwas dessen Anblick ich lieber meiden würde.
Lieber einmal nicht die Nachrichten hören.
Ein Jahr mit erschütternden Ereignissen liegt hinter uns.
Mit Kriegen und Terror und mit Naturkatastrophen,
die sich dem menschengemachten Klimawandel verdanken.
Darum bin ich dankbar für Weihnachten.
Weihnachten ist für mich die Gegenbotschaft gegen die schreckliche Maske.
Es ist eine Botschaft gegen Angst.
"Fürchte dich nicht!", ruft der Weihnachtsengel.
Und tatsächlich,
vor einer Krippe haben Kinder keine Angst.
Im Gegenteil, in der Kirche laufen sie nach vorne.
Aufmerksam und ehrfürchtig schauen sie sich die Krippenfiguren an.
Gott lässt sich in einem Kind finden.
Nicht in Masken des Schreckens.
Sondern in einem Kindergesicht.
Einem Wesen mit Windeln.
Wehrlos und vollkommen angewiesen auf Hilfe.
An Weihnachten feiern wir den Gott, der nicht auf Gewalt setzt,
sondern sich selbst in Jesus Christus klein und verwundbar macht.
So erhört Gott die Gebete und Sehnsucht der Menschen.
„Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“ singen die Engel. (Lukas 2,14)
Wer sehnt sich nicht nach Frieden angesichts der Kriegsopfer,
der Geflüchteten und der vielen Menschen in Not?
Doch wenn diese Sehnsucht so groß ist,
warum gibt es so viel Hass und Wut und Gewalt unter Menschen?
Warum tragen so viel eine Maske des Bösen?
Der Dichter Berthold Brecht schreibt von der „Maske des Bösen“:
„An meiner Wand hängt ein japanisches Holzwerk
Maske eines bösen Dämons, bemalt mit Goldlack.
Mitfühlend sehe ich
Die geschwollenen Stirnadern, andeutend
Wie anstrengend es ist, böse zu sein.“
Böse zu sein ist anstrengend.
Es kostet Kraft.
Denn böse zu sein wiederspricht allem,
zu dem wir geschaffen sind.
Weihnachten zeigt, wozu wir eigentlich auf der Welt sind.
So verstehe ich das:
Gott wird Mensch, damit wir menschlich werden.
Gott erscheint uns in entwaffnender Menschlichkeit,
damit wir die Anstrengung des Bösen aufgeben.
Das Kind in der Krippe kann uns helfen,
selbst die Masken von unseren menschlichen Gesichtern zu nehmen,
die Masken der Wut,
die Masken der Selbstgefälligkeit und Gleichgültigkeit
und die des Egoismus.
Dann können wir einander von Angesicht zu Angesicht sehen.
Wenn ich jemandem ins Angesicht schaue,
kann sein Blick meinen Respekt,
vor dem anderen Menschen hervorrufen.
Ich kann vielleicht erkennen,
dass dieser Mensch ein eigenes, einzigartiges Gegenüber ist,
dem Achtung und Schutz gebührt.
Vielleicht werde ich mir bei diesem Anblick auch meiner eigenen Verletzlichkeit bewusst (Emmanuel Levinas).
Und das Gesicht eines anderen Menschen schenkt uns von Geburt an den liebevollen Blick,
den wir zum Leben brauchen.
Wer könnte leben, ohne einmal liebevoll angesehen worden zu sein.
In unseren offenen Menschengesichtern will sich Gott erkennen lassen ( Die Bibel, 2. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 3,18 und 4,16)
In den Gesichtern der Menschen in Odessa,
die versuchen, ein normales Leben aufrecht zu erhalten,
und doch ständig in der Angst leben,
dass sie von einem Moment zum nächsten in die Luftschutzkeller fliehen müssen.
In den Gesichtern der Verwandten der von Terroristen Verschleppten.
Tiefe Verletzlichkeit und Trauer ist in sie eingeschrieben.
In den leeren Gesichter der Menschen,
die durch Bombenhagel alles verloren haben,
müssen wir Gott suchen.
In den erschöpften Gesichtern derer,
die aus Not zu uns geflohen sind.
In den Gesichtern derer, kein zu Hause haben, einsam sind.
Es kann verstörend sein in diese Gesichter zu blicken.
Und doch sind es menschliche Gesichter.
Sie appellieren an unsere Verantwortung und Hilfsbereitschaft.
Christus sagt: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Geschwistern,
das habt ihr mir getan. (Die Bibel, Matthäus-Evangelium, Kapitel 25, Vers 40).
Gott lässt sich auch finden, in den Gesichtern der Menschen,
die ihre Augen nicht verschließen,
sondern sich für ihre Nächsten einsetzen.
Es gibt so viele, die dazu beitragen,
dass Arme und Wohnungslose eine warme Mahlzeit bekommen,
die Geflüchteten helfen und sich für Klimaschutz engagieren.
Sie beten für andere, schenken ihnen Zeit
oder spenden für die Ukrainehilfe, Erdebenopfer oder Projekte von Brot für die Welt.
Gott lässt sich finden bei den Menschen, die Gesicht zeigen
und mit offenen Visier gegen rassistischen Hass und antisemitische Pöbeleien eintreten.
Gott lässt sich finden, Bei denen die nach Möglichkeiten des Gespräches suchen,
auch wenn ihre Gesprächspartner unterschiedlicher Meinung sind oder sogar im Streit liegen.
Ja, wir dürfen nicht stumm sein, wie dämonische Masken.
Wir müssen miteinander sprechen,
wenn es um den Klimawandel geht.
Wir sind mit unserer Lebensweise und dem Verbrauch unsere Natur an die Grenze gekommen.
Nun müssen wir miteinander reden,
wie wir unseren Lebensraum bewahren
und einen fairen Weg dafür finden,
den möglichst viele mitgehen können.
Die Augen zu verschließen, hilft niemanden.
Wir müssen miteinander sprechen, wenn es um Geflüchtete geh.
Wie können Menschen bei uns Schutz vor Verfolgung, Krieg und Dürre finden,
ohne dass Einheimische von Angst überschwemmt werden,
die Kontrolle zu verlieren?
Es geht immer um Menschen.
Wie wäre es, sachlich über die Probleme von Kommunen zu reden,
anstatt Neid zu schüren und Chaos-Geschichten zu verbreiten.
Wir müssen miteinander sprechen,
wenn es darum geht, Gewalt einzudämmen und für den Frieden einzutreten,
in der Ukraine, in Bergkarabach, in Israel und Gaza
Wir dürfen nicht aufhören auf Frieden zu hoffen
und auf die Freiheit aller Menschen,
ob es Frauen im Iran sind oder muslimische Uiguren in China,
Jedes einzelne Menschenkind ist wichtig.
An der Krippe können wir etwas von dem spüren,
was in unserem Leben wirklich zählt.
Gott setzt sich nicht mit Macht durch.
Gott verzichtet auf Größe.
Gott will uns nicht erdrücken.
Sondern gibt uns Raum.
So setzt Gott den Frieden durch.
Nicht mit Macht.
Sondern mit Liebe.
Das ist ein Gott,
vor dem kein Kind erschrickt.
Wie gut, wenn dieser Gott unsere Gegenwart und unsere Zukunft ist.
Wenn wir Gott sehen, von Angesicht zu Angesicht und Gott erkennen,
wie Gott uns mit liebevollem Blick erkennt. (Die Bibel, 1. Brief des Paulus an die Korinther Kapitel 13, Vers 12)
Amen.
Pastor Dr. Bernd Kuschnerus ist seit 2019 Schriftführer in der Bremischen Evangelischen Kirche