Mittwoch, 19. Oktober 2022

500 Jahre Bremisch Evangelisch - Reformationstag in Bremen

FREI:RAUM unter diesem Motto feiert die Bremische Evangelische Kirche den 500. Geburtstag der Reformation in Bremen. Aber war das nicht gerade erst, das Reformationsjubiläum? Richtig, 1517, nagelte der Mönch Martin Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg. Das haben wir vor fünf Jahren ordentlich gefeiert. Aber erst 1522 gab es in Bremen die erste evangelische Predigt. Das feiern wir ebenfalls - mit rund 100 Veranstaltungen in der ganzen Stadt.

Hier einige Highlights  für alle, die rund um den Reformationstag am 31. Oktober Lust auf Entdeckungen haben. Auf sie wartet ein vielfältiges Programm mit Gottesdiensten, Stille und Spiritualität, mit Musik sowie Kunst und Dialog.

In ganz Bremen gibt es zum Reformationsfest rund 40 Gottesdienste. In der Stadtkirche Unser Lieben Frauen können Besucher von 16 bis 20.30 Uhr wieder "selig schaukeln, hoffen, lieben", dieses Mal an zwei Schaukeln im Dialog, oben im vom Lichtkünstler Mario Haunhorst stimmungsvoll ausgeleuchteten Kirchenschiff. Rund um diese Aktion gibt es einen Rundfunkgottesdienst, der live auf Radio Bremen Zwei übertragen wird, sowie einen Abend mit Musik und Gesprächen. Pianistin Agita Rando und Bassist Thomas Milowski sorgen für die musikalische Gestaltung.

Was wäre die Feier der Reformation ohne Musik? Am Vorabend des Reformationsfestes wird in der Kirche St. Ansgarii um 17 Uhr das Zütphen-Oratorium von Keno Hankel uraufgeführt. Es beleuchtet schlaglichtartig das Leben und Denken des Bremer Reformators, die einzelnen Stationen seines Lebens, die erste evangelische Predigt in Bremen und seinen gewaltsamen Tod in Dithmarschen. Es musizieren die Kantorei St. Ansgarii, das Norddeutsche Barock-Collegium und zahlreiche Solisten.

Das Werk des großen Liederdichters Joachim Neander  (1650-1680) wird ebenfalls gewürdigt. Am Sonntag, den 30. Oktober um 20 Uhr präsentieren Clemens Löschmann, Tenor, Hanna Thyssen, Sopran, und Susanne Peuker an der Theorbe (Lauteninstrument) im St. Petri DomVertonungen von Liedern des St. Martinipastors. Ferner wird es am Reformationstag  um 17 Uhr ein Konzert in der Kirche St. Nikolai in Mahndorf geben und um 19 Uhr in der Melanchthonkirche.

Begegnung wird am Reformationstag ganz groß geschrieben. Ein Highlight erwartet Besucherinnen und Besucher im St. Petri Dom: Die Bänke werden mal wieder beiseite geräumt und machen Platz für eine bunte Kirmeswelt. In der leeren Kathedrale verspricht die Kirmesmusik auf der großen Orgel ein besonderes musikalisches Erlebnis. Krimifans lauschen Lesungen zu biblischen Kriminalgeschichten. Für Kinder gibt es ein Fotosuchspiel im Dom mit Verlosung. Und es wird natürlich wie immer gemeinsam gesungen.

Im evangelischen Informationszentrum Kapitel 8 öffnet am Reformationstag von 14 bis 18 Uhr wieder das beliebte Café seine Türen. In diesem Jahr ist es benannt nach Hendrik Gelrie, in Bremen besser bekannt als der Reformator Heinrich von Zütphen. Es gibt leibliche Genüsse und Getränke, die vom Team des Kapitel 8 serviert werden. Hier starten auch die beliebten historischen Stadtrundgänge.

Welche Kunst passt besser zum Reformationstag als diejenige, die uns in der Gegenwart zum Nachdenken bringt? Deshalb zeigt die Kulturkirche St. Stephani die Ausstellung: ZEITEN-WENDEN. 1522 - 2022. Lokal – global. Von Donnerstag den 27. Oktober bis zum  22. Januar 2023 sind hier Arbeiten bekannter Künstlerinnen und Künstler zu sehen, die zur Kritik an der Gewalt aufrufen. Ein Holzschnitt  von 1945 zeigt einen Toten in einer Ruinenlandschaft. Auf einem Gemälde von 1986 ist ein zum Leben erweckter Lazarus dargestellt - beides Werke von Erhart Mitzlaff. Weiterhin werden Werke u.a. von Viktor Baldin, Wolfgang Hainke, Shirin Neshat, Yves Netzhammer undKlaus Rohmeyer zu sehen sein. Aufgrund des Angriffskrieges auf die Ukraine bekommt diese vor mehr als einem Jahr konzipierte Austellung neue Aktualität.

Diskussion und Dialog sind zum Reformationsfest ein must have. Schließlich haben die evangelischen Prediger wie Heinrich von Zütphen in ihrer Zeit zur Entwicklung des freien Denkens beigetragen. Wir gehen auf historische Spurensuche: Was ist im 16. Jahrhundert in den Köpfen passiert? Was können wir daraus für unsere Gegenwart heute lernen? Am Freitag, den 4. November kommt z.B. der bekannte PR-Profi und Buchautor Erik Flügge nach Bremen. Im Domkapitelsaal wird es um das Thema Reformation und Meinungsfreiheit gehen. Der überzeugte Katholik und engagierte Kritiker kirchlicher Strukturen Erik Flügge wurde vor allem bekannt durch sein Buch "Der Jargon der Betroffenheit: Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt".

Wer zum Reformationsfest Stille und Spiritualiät sucht, sollte das Kerzenlabyrinth in der Kulturkirche St. Stephani nicht verpassen. Fast 400 Kerzen formen dieses uralte Menschheitssymbol für das Leben selbst und die menschliche Suche nach dem Sinn. Nach der Eröffnung am 28. Oktober gibt es am Vorabend des Reformationstages um 18 Uhr einen Meditationsabend mit Klangschalen. Das Labyrinth ist bis zum Reformationstag täglich von 18 bis 21 Uhr geöffnet.

Das Programm zum Bremer Reformationsjubiläum erstreckt sich bis in den November hinein: Am Samstag, den 5. November gibt es in der Kirche St. Ansgarii auf einem mittelalterlichen Gemeindefest die Möglichkeit zu einer Zeitreise ins Jahr 1522.

Unter dem Titel "Rauch sind die hier beteten …“ gibt es am Dienstag, den 8. November, dem Vorabend der Pogromnacht 1938, um 19 Uhr  in der Kulturkirche St. Stephani ein Gespräch mit der 90-jährigen Zeitzeugin Angelika Antpöhler über die damals in Brand gesteckte Aumunder Synagoge.

Was macht die Angst mit meiner Seele? lautet der Titel eines Vortrages von Kirsten Kappert-Gonther am Samstag, den 19. November um 15 Uhrim Gemeindezentrum von Unser Lieben Frauen.  Die Medizinerin und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie war Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und ist seit 2017 Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90 Die Grünen. Martin Luther hat das Ablasswesen bekämpft, weil es mit der Angst der Menschen vor Hölle, Tod und Teufel gespielt hat. Diese Ängste haben wir heute nicht mehr, dafür  verunsichern uns Corona, Krieg und Inflation. Was machen diese Ängste mit Körper, Seele, Geist? Ein Abend zu Angst,  Mut und Hoffnung, künstlerisch begleitet am Piano und mit einem Klinik-Clown.

Zum Hintergrund:
Am Reformationstag erinnern Protestanten in aller Welt an die Anfänge der evangelischen Kirche vor rund 500 Jahren. Die vom damaligen Augustinermönch Martin Luther (1483-1546) um den 31. Oktober 1517 von Wittenberg aus verbreiteten 95 Thesen gegen kirchliche Missstände wurden zum Ausgang einer christlichen Erneuerungsbewegung. Die von Luther geforderten Reformen führten nicht nur zur Gründung der evangelischen Kirchen, auch die römisch-katholische Kirche hat sich seitdem grundlegend reformiert. Der Reformationstag ist in den östlichen Bundesländern - außer Berlin - gesetzlicher Feiertag. 2018 haben Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein den Reformationstag zu einem neuen, zusätzlichen gesetzlichen Feiertag erklärt. Damit ist in neun Bundesländern an diesem Tag arbeitsfrei.