Donnerstag, 02. November 2023

Bremer Friedensbeauftragter gestaltet Jubiläumsgottesdienst in Odessa

Der Friedensbeaufragte der Bremischen Evangelischen Kirche, Pastor Andreas Hamburg, hat an einem Friedensgottesdienst zum 220-jährigen Bestehen der Kathedrale St. Paul im ukrainischen Odessa teilgenommen. im Rahmen seines Aufenthaltes besuchte er auch das Logistikzentrum einer Sanitätseinheit des ukrainischen Militärs und übergab Spenden aus Bremen.

Die Kathedrale St. Paul ragt hoch über die Stadt Odessa. Sie ist das größte lutherische Zentrum der Ukraine. Andreas Hamburg war von 2009 bis 2014 der erste Pastor dieser Gemeinde nach dem Wiederaufbau der in den 1970er Jahren unter den Sowjets zerstörten Kirche. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges ist sie, anders als die benachbarte orthodoxe Verklärungskathedrale,  bislang von Zerstörung durch russische Raketen verschont geblieben.

Während seines Aufenthaltes in Odessa hat Andreas Hamburg auch eine Sanitätseinheit des ukrainischen Militärs besucht, die an der Front ein mobiles Krankenhaus mit OP-Saal betreibt. In dem Logistikzentrum, von dem aus die Einsätze an der Front organisiert werden, hat er mit Militär-Ärzten und Sanitätern gesprochen. In der Einsatzzentrale in Odessa werden u.a. Fahrzeuge und medizintechnische Ausrüstung gewartet und repariert. Außerdem gewährleistet sie die Materialversorgung für das mobile Krankenhaus. Von hier aus fahren zwei von der Stadt Bremen an die Partnerstadt Odessa gespendete Busse regelmäßig an die Front. Sie befördern medizinisches Personal und sorgen für den Transport von Verletzten. Nach der Erstversorgung in dem mobilen Krankenhaus werden verletzte ukrainische Soldaten auf Krankenhäuser hinter der Front verteilt. Andreas Hamburg hatte rund 1.000 Jogginghosen von der Stiftung „Solidarität Ukraine“ im Gepäck, die während der Genesung bei verwundeten  Soldaten sehr gefragt sind. „Es fehlt an diesen angenehmen, leicht anzuziehenden Kleidungsstücken, deshalb war unser Geschenk aus Bremen sehr willkommen.“ Regelmäßig werden aus Bremen u.a. auch große Mengen an Kaffee, Thermounterwäsche oder Taschenlampen in die Ukraine geliefert.

Ich habe erlebt, wie sehr es sie berührt,
in diesen für das ukrainische Volk schwierigen Zeiten
Freunde in Bremen gefunden zu haben.

„Im Gespräch habe ich eine sehr große Dankbarkeit für die Unterstützung der Stadt Bremen, der Stiftung Solidarität Ukraine und der Bremischen Evangelischen Kirche erlebt. Mir wurden Dankes-Urkunden überreicht, die zeigen, was die konkrete Solidarität aus Bremen menschlich für die Sanitäter und Ärzte bedeutet. Ich habe erlebt, wie sehr es sie berührt, in diesen für das ukrainische Volk schwierigen Zeiten Freunde in Bremen gefunden zu haben. Es war sehr bewegend zu sehen, wie beim Verlesen der Urkunden gestandenen Soldaten die Tränen liefen. Das macht Mut und gibt Kraft, mit der bremischen Unterstützung unvermindert weiterzumachen.“

Sie arbeiten und kämpfen bis zur Erschöpfung.
Aber die ganze Bevölkerung ist fest entschlossen,
den brutalen Angreifern die Stirn zu bieten.

Die Gespräche mit den Medizinern und Sanitätern, die immer wieder in die Kampfgebiete an die Front fahren, gingen ihm schon sehr unter die Haut, so Andreas Hamburg weiter. "Sie arbeiten bis zur Erschöpfung, kämpfen mit veraltetem Material oder müssen auf die nötigste Ausstattung verzichten, weil sie durch den russischen Raketenbeschuss zerstört wurde. Aber die ganze Bevölkerung ist fest entschlossen, den brutalen Angreifern die Stirn zu bieten. Die allgemeine Solidarität ist großartig und macht Hoffnung."

Die Friedenstheologie in der Coventry-Gemeinschaft fußt aber auf eigenen Erfahrungen. Das unterscheidet sie fundamental von einem Pazifismus,
der aus den 1960er Jahren pathetisch und unreflektiert
in die Gegenwart übertragen wird.

Zum Jubiläum gab es viele Veranstaltungen mit zahlreichen Gästen. Den zentralen Festgottesdienst hat Pastor Andreas Hamburg gestaltet. In seiner Predigt hob er den besonderen Charakter der Friedenstheologie in der Coventry-Gemeinschaft hervor: "Sie fußt auf eigenen Erfahrungen. Das unterscheidet sie fundamental von einem Pazifismus, der aus den 1960er Jahren pathetisch und unreflektiert in die Gegenwart übertragen wird."

St. Paul ist die einzige Kirche in der Ukraine, die in die Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry aufgenommen wurde. Darüber freut sich der Bremer Friedensbeauftragte ganz besonders: "Frieden ist eins der zentralen christlichen Themen, für mich als Pastor natürlich erst recht. Das ist ein wichtiges Zeichen, um die Friedens- und Versöhnungsarbeit im Land zu stärken."

Ich wünschte mir oft mehr Bescheidenheit von denen, die in den Medien
nach diesem sogenannten "Frieden" rufen. Das hat nichts mit eigenen Erfahrungen zu tun, nichts mit Leid, Vergebung oder Versöhnung.

Ein gerechter Friede könne nicht auf Kapitulation aufgebaut werden, so Hamburg weiter. Eine nur auf Kosten der Angegriffenen und Geschundenen formulierte Exit-Strategie will er nicht unterstützen. "Ich wünschte mir oft mehr Bescheidenheit von denen, die in den Medien nach diesem sogenannten "Frieden" rufen. Das hat nichts mit eigenen Erfahrungen zu tun, nichts mit Leid, Vergebung oder Versöhnung. Frieden darf nicht auf Kosten der Anderen geschehen."

Zu dem Friedensgottesdienst in Odessa waren prominente Gäste aus Kirche und Gesellschaft per Video zugeschaltet. Dem Präsidenten der lutherischen Kirchensynode, Alexander Gross, hat Andreas Hamburg symbolisch den ersten gefüllten Stoffbeutel der nun anlaufenden Weihnachts-Kinderaktion "Weihnachten ist, wenn jemand liebevoll an Dich denkt" übergeben. Wie bereits im Vorjahr werden in ganz Bremen solche Beutel ausgegeben. In diesem Jahr lautet die Zielmarke, 15.000 Weihnachtsüberraschungen für ukrainische Kinder in das Kriegsgebiet zu schicken.

Hintergrund

Die Hafenstadt Odessa an der Küste des Schwarzen Meeres ist mit rund einer Million Einwohnern die drittgrößte Stadt der Ukraine. Odessa ist einer der bedeutendsten Umschlaghäfen am Schwarzen Meer. Die Hafenstadt ist wirtschaftliches, aber auch wissenschaftliches und kulturelles Zentrum der Region. Seit dem Ende des Getreideabkommens wird sie massiv mit Raketen beschossen. Im Juni 2023 vereinbarten die Stadt Bremen und Odessa den Aufbau einer Städtepartnerschaft.

Pastor Andreas Hamburg (50) ist in der Ukraine geboren. 1995 ist er nach Deutschland ausgewandert und war später als Pastor in Charkiw und Odessa tätig. Seit 2018 ist er Pastor in der evangelischen Gemeinde St. Markus. Seit Kriegsausbruch hat er gemeinsam mit zahlreichen Partnern ein Ukraine-Solidaritäts-Netzwerk aufgebaut.

Das Nagelkreuz von Coventry ist ein christliches Symbol aus Nägeln der im NS-Bombenhagel zerstörten Kathedrale im englischen Coventry. Es wird weltweit an Glaubensgemeinschaften verliehen, die sich als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg für Frieden und Völkerverständigung einsetzen.

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