06. Februar 2024

„Stellungnahme von Pastor Rogge zur FORUM-Studie“

„Stellungnahme von Pastor Rogge zur FORUM-Studie“

Pastor Benedikt Rogge, St. Ansgarii, Februar 2024
Stellungnahme zur FORUM-Studie der Evangelischen Kirche Deutschland

Link zum Abschlussbericht der FORUM-Studie:
https://forum-studie.de/wp-content/uploads/2024/01/Abschlussbericht_ForuM.pdf

Link zu den Gedanken zur FORUM-Studie vom 04.02.2024:
https://www.youtube.com/watch?v=Lp-0skPPpM8

Wenn Menschen Erfahrungen sexualisierter Gewalt berichten, tut Hin-Hören Not. Dennoch wurde in der Evangelischen Kirche Deutschland von Gemeinde- und Kirchenleitenden, von Haupt- und Ehrenamtlichen, in den zurückliegenden 70 Jahren oftmals nicht genau genug hin-gehört oder sogar weg-gehört, wenn Menschen von Grenzverletzungen berichteten, von Bedrängungen, Gewalterfahrungen und sexuellem Missbrauch. Dadurch hat sich das Leid der Betroffenen oft noch massiv verschärft.

Es ist jedoch unsere Pflicht, sorgfältig hinzuhören, gerade dann, wenn es um die Erfahrung von sexualisierter Gewalt geht. Denn sexualisierte Gewalt kann zerstörerische Folgen haben. Sie kann „eine Lebenswunde hinterlassen“, „die nicht verheilt“ und „wie eine Gewehrkugel im Herzen eingewachsen“ ist, wie ein Betroffener schreibt (S. 505, FORUM-Studie). Jedem, dem das Wohl anderer Menschen wichtig ist, gerade von Kindern und Jugendlichen, muss das Auftreten von sexualisierter Gewalt darum wie ein Stich ins Herz vorkommen. Mich persönlich und alle Haupt- und Ehrenamtlichen unserer Gemeinde schmerzt es in ganz besonderer Weise, dass sexualisierte Gewalt auch im Rahmen kirchlicher Arbeit und in evangelischen Gemeinden aufgetreten ist und auftritt. Denn eine Kernaufgabe unseres christlichen Glaubens und ein Kernanliegen in unserer Gemeinde besteht darin, die Würde jedes einzelnen zu schützen und die Entfaltung seiner Persönlichkeit zu stärken. Dies gilt ohne Einschränkungen für jeden Menschen und in herausgehobener Weise für Schutzbefohlene, also Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, und andere Personen in Abhängigkeitsverhältnissen.

Die FORUM-Studie zeigt unmissverständlich, dass sexualisierte Gewalt nicht nur in der Familie, in Sportvereinen, in der Schule, in Kliniken und therapeutischen Settings, in Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe oder in Räumen der digitalen Kommunikation – sondern eben auch in evangelischen Kirchengemeinden, und dies nicht nur in Einzelfällen. Das größte Risiko besteht deshalb darin, das Risiko ihres Auftretens zu ignorieren. Dem treten wir aktiv entgegen und setzen uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln für den Schutz vor sexualisierter Gewalt ein und treffen hierfür geeignete Vorkehrungen. Unter Aufnahme von Verhaltensstandards der Gewaltschutzrichtlinie der Evangelischen Kirche Deutschland von 2019 und weiteren Handreichungen, auch der Bremischen Evangelischen Kirche, bemühen wir uns um eine Kultur des Hinsehens und Hinhörens und der Wahrung körperlicher und persönlicher Grenzen aller Menschen, die in unsere Gemeinde kommen. Im Licht der Ergebnisse der FORUM-Studie hinterfragen und überarbeiten wir aber zurzeit auch unser Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und machen dieses im April 2024 öffentlich. Wenn Sie Fragen haben, welche Präventionsmaßnahmen wir bislang ergreifen (Fortbildungen, Führungszeugnisse, Vermeidung best. Interaktionssituationen etc.), wenden Sie sich bitte gerne an mich.

In der Bremischen Evangelischen Kirche sind nach gründlicher Sichtung von 850 Personalakten aus den Jahren 1946-2020 bislang acht Fälle von Täterpersonen bekannt geworden (https://www.kirche-bremen.de/aktuelles/presse-service/nachrichten-details/bremische-evangelische-kirche-begruesst-forum-studie-1/). Hierzu gehören keine Fälle aus unserer Gemeinde und mir und den Vertretern unserer Gemeinde sind darüber hinaus auch weder aus der jüngeren noch aus der weiter zurückliegenden Vergangenheit Fälle aus unserer Gemeinde bekannt. Falls Sie aber Menschen, die von sexualisierter Gewalt in evangelischen Einrichtungen betroffen waren oder sind, kennen oder selbst dazu gehören, möchten wir Sie um Ihre Meldung bitten. Sprechen Sie bitte mich oder die dafür zuständige Ansprechperson der Bremischen Evangelischen Kirche, Jutta Schmidt (https://www.kirche-bremen.de/hilfe-bei/was-tun-bei-gewalt/; Tel.: 0421 / 559 7291; jutta.schmidt[at]kirche-bremen.de), an oder wenden Sie sich an eine externe Anlaufstelle (siehe etwa: https://www.polizei.bremen.de/rat-und-hilfe/opferschutz/wegweiser-bremer-opferhilfesystem/sexuelle-gewalt-46350). Die Mitarbeitenden der Bremischen Evangelischen Kirche arbeiten akribisch und mit hohem Einsatz daran, Fälle sexualisierter Gewalt zu identifizieren und aufzuarbeiten. Ich hoffe, dass, wo nötig, den Betroffenen Heilung möglich ist und ein Bruchstück Gerechtigkeit und Wiedergutmachung widerfährt.

Die Haupt- und Ehrenamtlichen in unserer Gemeinde und ich wünschen uns, dass Menschen trotz der Ergebnisse der FORUM-Studie weiterhin genau so gerne wie bisher in unserer Gemeinde kommen, dass Kinder und Jugendliche sich bei uns weiterhin so entfalten und zu starken Persönlichkeiten werden wie bisher, und dass sie bei uns weiterhin Vertrauen gewinnen und haben: zu uns, zu sich selbst und vor allem: zu Gott.

Bei Rückfragen jedweder Art, auch zum aktuellen Stand unseres Konzeptes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, schreiben oder rufen Sie mich bitte an: 0421 / 6950 8183, benedikt.rogge[at]kirche-bremen.de.

Ihr Benedikt Rogge, Pastor an der Gemeinde St. Ansgarii

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