10. Dezember 2024
Donnerstag, 25. Januar 2024
Heute hat der Forschungsverbund „ForuM" seine Ergebnisse hinsichtlich sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und der Diakonie in Deutschland veröffentlicht. Die Studie des unabhängigen Forschungsverbundes aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen soll Erkenntnisse für die weitere Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt aus den Jahren 1946 bis 2020 zur Verfügung stellen. Wie alle evangelischen Landeskirchen hat sich auch die Bremische Evangelische Kirche an dem wissenschaftlichen Projekt beteiligt und die ihr bekannten Fälle offengelegt.
Die Präsidentin der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), Edda Bosse, begrüßt ausdrücklich die Veröffentlichung der ForuM-Studie: "Die ForuM-Studie ist ein wichtiger Schritt unseres Engagements gegen sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland, die die Studie angeregt und finanziell gefördert hat." Die Bremische Evangelische Kirche habe sich gern an dieser Studie beteiligt, "damit Klarheit entsteht, wann, wo und in welchem Umfang es im Rahmen kirchlicher Arbeit zu sexualisierter Gewalt gekommen ist und wir mehr Erkenntnisse gewinnen für Aufarbeitung, Prävention und Intervention. Wir erwarten wiederum schmerzliche Einsichten im Hinblick darauf, wie wir in der Vergangenheit mit Fällen von Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt umgegangen sind. Wir waren nicht immer konsequent an der Seite der Betroffenen und haben Vertrauen verloren." Deshalb sei es so wichtig, diese Vorfälle gemeinsam mit den Betroffenen aufzuarbeiten. "Nur wenn wir wissen, welche strukturellen Ursachen es für sexualisierte Gewalt gibt, können wir diesen Übergriffen für die Zukunft vorbeugen." Präsidentin Edda Bosse dankt ausdrücklich allen Betroffenen, die ihre Erfahrungen in der ForuMStudie zur Verfügung gestellt haben. Ihnen gilt meine Hochachtung, wir tragen die Verantwortung für die weiteren Schritte.
Die ForuM-Studie wird uns konkrete Hinweise geben,
wie wir Risikofaktoren weiterhin aktiv minimieren
und Schutz bieten können.
"Wir wissen, dass es sexualisierte Gewalt in Kirche und Diakonie gibt", so Bosse weiter, "und seit vielen Jahren sind wir auf dem Weg, sexualisierte Gewalt grundsätzlich besprechbar zu machen. Die ForuM-Studie wird uns konkrete Hinweise geben, wie wir Risikofaktoren weiterhin aktiv minimieren und Schutz bieten können. Wir unterstützen als Bremische Evangelische Kirche ausdrücklich das Beteiligungsforum auf Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland und hoffen und erwarten Empfehlungen und Arbeitsaufträge aus Sicht der Betroffenen, um unsere eigenen Vorhaben und Projekte verbessern zu können."
Für die ForuM-Studie hat die Bremische Evangelische Kirche (BEK) 850 Personalakten der Pfarrpersonen, die zwischen 1946 und 2020 in ihrem Dienst standen, nach Hinweisen auf Grenzverletzungen und Disziplinarmaßnahmen untersucht. Ferner ist sie Aussagen von Betroffenen und Zeitzeugen nachgegangen. Dabei wurden acht Verdachts-Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch identifiziert:
Es handelte sich hierbei um acht Personen, darunter sechs Pastoren. Zwei Disziplinarfälle aus Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre waren bis zur Recherche im Rahmen der Studie noch nicht bekannt. Bei zwei weiteren Verdachtsfällen gibt es entweder keine direkt zu identifizierende betroffene Person oder der Verdachtsfall lässt sich nicht vollständig klären, da die beschuldigte Person verstorben ist und Betroffene bislang nicht ausfindig gemacht werden konnten.
Der Fall des Pastors Abramzik ist bereits seit 2010 bekannt. Hier wurden mit mehr als 25 Personen (Zeitzeugen, Betroffenen, Angehörigen von Betroffenen) Gespräche geführt. Nach derzeitigem Kenntnisstand waren 14 Personen betroffen. Die Übergriffe fanden in unterschiedlichen Settings und mit unterschiedlicher Intensität statt. Bezogen auf die Causa Abramzik hatte lange Zeit nur eine Person Kontakt zur Bremischen Evangelischen Kirche aufgenommen, obwohl mehrfach öffentlich dazu aufgerufen wurde, sich zu melden. Erst nach der Medienberichterstattung nahm die Zahl der Meldungen zu.
Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) arbeitet seit vielen Jahren im Themenfeld Gewalt. Es bestehen eine Meldestelle und eine Ansprechstelle, wo Betroffenen und ihren Erlebnissen in einem geschützten Raum mit Respekt begegnet wird. Es ist ihr Anliegen, alle Verdachtsfälle der Vergangenheit aufzuarbeiten, im engen Kontakt mit der jeweils betroffenen Person.
Jeder Vorfall ist einer zuviel. Grenzüberschreitungen und
sexualisierte Gewalt darf es nirgendwo in unserer Kirche geben.
Dazu gehört neben der Untersuchung von Akten, die Befragung von Zeugen und die Suche nach etwaigen weiteren Betroffenen. "Jeder Vorfall", so Edda Bose weiter, "ist einer zuviel und bedeutet für die Betroffenen eine extrem leidvolle Erfahrung. Grenzüberschreitungen und sexualisierte Gewalt darf es nirgendwo in unserer Kirche geben."
Jedem Anfangsverdacht wird nachgegangen. Dabei orientiert sich die Bremische Evangelische Kirche an den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen. Bei einem Anfangsverdacht werden umgehend die Ermittlungsbehörden eingeschaltet. Externe Fachberatungsstellen sowie das Jugendamt werden hinzugezogen und Beratung und Gespräche angeboten. Beschuldigte Fachkräfte werden unabhängig vom weiteren Verlauf der Ermittlungen umgehend vom Dienst freigestellt.
Im Kontext von Kirche und Diakonie fand die historische Aufarbeitung bislang im direkten Kontakt mit den einzelnen Betroffenen statt, die über erlittenes Unrecht oft erst Jahre, wenn nicht Jahrzehnte später und auch nur in einer geschützten Atmosphäre sprechen konnten. Es ging darum, gemeinsam mit ihnen Lösungen zu finden, die ihnen helfen, das traumatische Erlebnis zu bearbeiten, auch und gerade wenn eine strafrechtliche Verfolgung nicht mehr möglich war.
Zur unabhängigen, transparenten und partizipativen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gründet die Bremische Evangelische Kirche gemeinsam mit ihren Nachbarkirchen derzeit eineUnabhängige Regionale Aufarbeitungs-Kommission (URAK) Grundlage dieser Arbeit bildet die Vereinbarung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung. Die Regionale Aufarbeitungskommission wird mindestens zwei Betroffene, sowie drei externe Expertinnen beteiligen. Für die Geschäftsführung sind Stellen ausgeschrieben, die unter Beteiligung von Betroffenen besetzt werden.
Schon länger gibt es eine Anerkennungskommission, an der BEK-Pastorin Annette Niebuhr mitwirkt. Dieser Kommission lagen aus Bremen drei Anträge vor. Insgesamt wurden 35.000 Euro Anerkennungsleistungen gezahlt.
Zur kontinuierlichen Qualitätsentwicklung in Bezug auf die Prävention (z.B. erweitertes Führungszeugnis für alle Mitarbeitenden, Selbstverpflichtungserklärungen, Leitfaden für Mitarbeitende, Fortbildungen etc.), Intervention, Hilfe und Aufarbeitung arbeitet die Bremische Evangelische Kirche eng mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zusammen. Sie hat die EKD-Gewaltschutzrichtlinie übernommen und ist in das Ergänzende Hilfesystem eingebunden. Auf der Basis von Risikoanalysen gibt es ein Schutzkonzept, um strukturelle Maßnahmen zur Prävention dauerhaft zu verankern und den Schutz vor sexualisierter Gewalt sicherzustellen.
"Prävention", so Edda Bosse weiter, "ist für uns in der Bremischen Evangelischen Kirche das oberste Gebot. Wir erwarten aus der ForuM-Studie und den Rückmeldungen dazu aus dem Beteiligungsforum wichtige Erkenntnisse für unsere weitere Arbeit.“