Denkanstoß
Die Schaukel
Die Schaukel
Sie trägt dich.
Sie hilft dir, Dinge aus verschiedenen Blickrichtungen zu sehen.
Sie macht dich für Momente schwerelos.
Sie holt dich immer wieder zurück.
Sie lehrt dich, zurückzulassen.
Sie bewegt dich.
Sie verschafft dir Überblick.
Sie gleicht dich aus.
Sie ist dir gerecht.
Sie lässt den Wind dich spüren.
Sie bringt dich dem Himmel etwas näher.
(Quelle unbekannt)
Selig entspannen
Mit einem sanften Schwingen fängt das Leben an. Das sind die Bewegungen, die ein kleines Kind im Bauch seiner Mutter erlebt. Vielleicht ist das der Grund, warum uns auch später im Leben ein sanftes Schwingen in eine besondere Stimmung versetzt: die Erinnerung an eine ganz besondere Zeit der Geborgenheit, die es so später nicht mehr gibt. Oder hier und da in besonders glücklichen Momenten. Es ist wunderbar, vielleicht sogar ein kleines Wunder, dass Menschen solch einen Moment in unserer Kirche erleben. Wenn dort die Himmelsschaukel schwingt, lassen sie sich an 14 Meter langen Seilen, umgeben von den bunten Manessier-Fenstern, sanft in den Himmel heben und wieder zurück auf die Erde holen. Hin und her in einer Bewegung, die wir schon in unserer Kindheit erlebt haben. Und die viele Menschen sehr berührt. Deswegen ist es mehr als ein Schaukeln, das in unserer Kirche möglich ist. Es ist ein seliges Entspannen. Wer dann von der Schaukel steigt, hat oft Bedarf zu reden. Die Kirchenhütenden, die wir inzwischen gerne Welcomer nennen, können davon berichten: von Gesprächen, die sehr anrührend sind, weil Menschen sich auf der Schaukel geöffnet haben – für diesen Moment, für diesen Raum und für die Menschen, denen sie hier begegnen.
Andere sind irritiert. Was soll eine Schaukel in der Kirche? Wenn alles über den Kopf läuft, bleiben Fragen. Wo ich mich auf etwas einlasse, erfahre ich Antworten. Wie schön, wenn der eine oder andere eher skeptische Mensch es dann wagt, sich auf die Schaukel zu setzen und ein seliges Entspannen erlebt.
Gute Orte schaffen wertvolle Momente
Schon draußen vor der Kirche laden gemütliche Liegestühle zum seligen Entspannen ein: einfach mal abschalten und Pause machen. Den Blick auf die Stadtmusikanten und den historischen Marktplatz genießen. Und niemand kommt, der dafür Geld nehmen möchte. Hier bin ich frei, einfach zu sein. Solche Orte sind selten und wir haben das große Glück, in unserer Kirche und vor unserer Kirche solche Momente anbieten zu können. Wenn dann abends die Stühle reingeräumt werden, kommt es nicht selten vor, dass eine Gruppe junger Menschen dort im Kreis sitzt und sagt: „Setz dich doch noch etwas zu uns“. Solche Momente der Begegnung sind wertvoll. Wir wissen noch nichts voneinander, aber teilen diesen besonderen Ort. Hören einander zu. Erzählen von dem, was uns wichtig ist. Und dann bleiben zwei wandernde Burschen, die auf ihrer Walz durch Deutschland ziehen, eine Nacht in unserer Kirche, weil sie sonst keine Herberge haben. Am nächsten Tag wandern sie weiter – und werden erzählen, irgendwo und irgendwem, von einem ganz besonderen Ort, der sie freundlich empfangen und gestärkt hat. Auch eine Gruppe Buddhisten hat sich auf den Stühlen vor der Kirche getroffen und gemeinsam haben wir in der St.-Veit-
Kapelle eine Andacht gefeiert und für den Frieden in der Welt gebetet. Eine Pastorin, die in unserer Kirche ein seliges Entspannen erlebt hat, hat nicht lange gezögert und selbst in ihrer Freiburger Kirche eine eigene Schaukel aufgehängt.
Ein sanftes Schwingen, ein einfacher Liegestuhl aus leichtem Stoff: die Einladung zum seligen Entspannen bringt Menschen zu sich selbst und in Bewegung. Und ich spüre immer wieder, wie sehr es Gott und sein Heiliger Geist lieben, sich aus Büchern und klugen Reden zu befreien und uns direkt und tief in der Seele zu berühren.
Ihr/Euer Stephan Kreutz