Denkanstoß
Liebe Gemeinden Unser Lieben Frauen und St. Ansgarii,
„wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ – die meisten von uns kennen diese Worte. Sie gehören zu dem schönen Kanon, der im Evangelischen Gesangbuch unter der Nr. 564 steht; bei unseren Treffen mit Älteren, aber auch bei den Familienfreizeiten auf Langeoog etwa singen wir ihn häufig. Es sind Worte von Jesus, die der Evangelist Matthäus überliefert (Kapitel 18, Vers 20).
Bedeutet das jetzt, dass Gott nicht zugegen ist, wenn ich allein bin? Nein, natürlich nicht. Jesus selbst zieht sich ja immer wieder zurück, um allein zu sein und zu beten. Allein, ohne die Hektik und Störgeräusche, ohne die Erwartungen und Irritationen anderer, in Ruhe, kann man Gott in besonderer Weise nahe sein. Der Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard schrieb 1851 in diesem Sinne: „Betrachtet man – wozu man vom christlichen Standpunkt aus gewiss berechtigt ist – den jetzigen Zustand der Welt, so müsste man sagen: Sie ist krank. Wenn ich ein Arzt wäre und mich einer fragte: „Was meinst du, muss getan werden?“, so würde ich antworten:
„Das erste, was getan werden muss, ist: schaffe Schweigen! Gebiete Schweigen! Gottes Wort kann ja nicht gehört werden. Ach, alles lärmt, und wie heißes Getränk das Blut bekanntlich in Wallung bringt, so ist in unserer Zeit jedes einzelne, selbst das unbedeutendste Unternehmen und jede einzelne, selbst die nichtssagendste Mitteilung bloß darauf berechnet, die Sinne zu reizen oder die Masse, die Menge, das Publikum und den Lärm zu erregen!“
Das sind deutliche Worte. Jetzt muss man wissen, dass Kierkegaard selbst ein Einzelgänger und eigenbrötlerischer Kauz war, der Menschenmengen verabscheute. Aber seine Worte wirken doch auch heute nicht unpassend, in einer Zeit, in der wir von Worten und auch Bildern, nicht zuletzt im digitalen Leben, überflutet werden, oder nicht? Schon Meister Eckhart meinte: „Wenn Gott sein Wort in der Seele spre- chen soll, muss sie in Frieden und Ruhe sein“.
Wäre es dann also nicht besser, wenn jede und jeder für sich zuhause, „im stillen Kämmerlein“, bliebe und dort nahe bei Gott wäre? Wäre unser Glaube nicht am besten ein „Privatglaube“?
Wir glauben: nein, im Gegenteil. Es ist eine Lebenserfahrung, die wir gemacht haben, dass unser Glaube beides braucht: das Alleinsein UND das Zusammensein mit anderen. Wir erleben immer wieder, dass sich da, wo zwei oder drei in Gottes Namen zusammenkommen, seine Gegenwart in besonderer Weise spüren lässt. Das schmälert nicht den Wert des Alleinseins mit Gott – es ergänzt ihn. Aber es braucht diese Ergänzung. Wir haben immer wieder beobachtet, auch an uns selbst, dass der Glaube, wenn man ihn nur alleine lebt, an Lebendigkeit verliert, und dass er umgekehrt, durch das Zusammensein mit anderen, eine besondere Kraft entfaltet. Weil wir Menschen so sind. Weil wir die Wirklichkeit von unserem unsichtbaren Gott klarer wahrnehmen, wenn wir es auch gemeinsam tun. „Gut, dass wir einander haben, gut, dass wir einander sehn. Sorgen, Freuden, Kräfte teilen und auf einem Wege gehen. Gut, dass wir nicht uns nur haben, dass der Kreis sich niemals schließt. Und dass Gott, von dem wir reden, hier in unsrer Mitte ist“, heißt es in einem so schönen Kirchenlied.
Die Wirklichkeit unseres Glaubens lässt sich in eigener Weise spüren, erleben, erfahren und feiern, wenn wir es zusammen tun: im Gottesdienst, im gemeinsamen Gebet, im gemeinschaftlichen Singen, im Ritual, im Empfangen des Segens, in der Feier des Abendmahls, in der Begegnung, im Familiengottesdienst, beim Konfus oder auf der Seniorenfreizeit, beim Benqueplatzsingen im Advent oder im Krippenspiel, in der Christnacht oder am letzten Tag des Jahres, beim Entzünden von Kerzen, im gemeinsamen Schweigen (interessant, nicht wahr, dass es etwas ganz anderes ist, ob ich mit anderen zusammen oder alleine schweige), in den Trosträumen oder beim Suppengespräch, am Valentinstag oder in den Passionsandachten.
Und all das entspricht auch dem Bild von Gott, das wir vor Augen haben. Denn einen sozialeren Gott als unseren kann man sich kaum vorstellen. Einen, der vom hohen Himmel herunterkommt und in die Niederungen unseres Menschseins hinabsteigt, einzig und allein, um uns nahe zu sein. (Wie schön, dass bald der Advent beginnt!)
Für all das, was wir gerade beschrieben haben, gibt es in unserem Glauben ein Wort und einen Ort: Gemeinde. Und am besten: zwei. Wir, als die drei Pastoren von St. Ansgarii und Unser Lieben Frauen, sind unendlich dankbar, dass unsere beiden Gemeinden in den zurückliegenden Jahren schon einen so guten Weg des Zusammenwachsens gegangen sind. Wir freuen uns weiterhin darauf, Ihnen und Euch allen in unseren beiden Gemeinden zu begegnen, miteinander unseren Glauben zu teilen und zu leben. Ab heute teilen wir auch unseren Gemeindebrief. Die erste Ausgabe halten Sie gerade in Ihren Händen. In der Rubrik „Unter uns“ stellen wir künftig übrigens immer je eine Person aus unseren Gemeinden vor, also insgesamt zwei. Ihr erinnert Euch: „Wo zwei oder drei ...“ – Wir wünschen Ihnen und Euch eine gute Zeit und Gottes Segen, Ihre/Eure drei:
Benedict Rogge Stephan Kreutz Sebastian Renz



