Denkanstoß

Ein Moment Glückseligkeit

Zwei lange Seile und ein einfaches Holzbrett können einfach himmlisch sein.

Dann jedenfalls, wenn sie im Gewölbe einer historischen Kirche zwischen bunten Glasfenstern aufgehängt sind. So wie unsere Himmelsschaukel eben. Seit inzwischen 7 Jahren schwingt sie von Zeit zu Zeit in der Liebfrauenkirche und begeistert viele Menschen. Zuerst als Nestschaukel, in die man sich hineinlegen kann und sich geborgen fühlt „wie in Abrahams Schoß“. Dann als Doppelschaukel im Dialog zweier schaukelnder Menschen und jetzt als Schaukelbrett, auf dem ein aufrechtes, weites Schwingen im Chor der alten Kirche möglich ist.

Das Gästebuch neben der Schaukel ist voll mit Einträgen von Menschen, die sich in luftige Höhen haben tragen lassen – und sicher wieder zurück. Sie schreiben von einem unvergesslichen Moment, von Freude und Loslassen. Und das teilen sie gerne mit: die Kirchenhüterinnen und Kirchenhüter erzählen von vielen Gesprächen rund um das Schaukeln. Kein Zweifel: die Schaukel in der Kirche bewegt die Menschen.

Gott als zarter Lufthauch

Aber hat das was mit Gott zu tun? Passt eine Schaukel eigentlich in eine Kirche? Auch das fragen die Menschen. Wen wundert’s: sind doch Schaukeln in Kirchen eher selten anzutreffen.

Ich denke an eine Geschichte der Bibel, die von dem Propheten Elia erzählt. In einer Zeit höchster Not ist er auf der Suche nach Gott. Er ahnt, dass er dort Hilfe und Stärkung erfährt und bittet Gott um eine Begegnung. Elia erlebt einen gewaltigen Sturm und denkt: das wird er sein.

Aber in der Bibel heißt es nur: „Gott war nicht in dem Sturm“ (1. Könige 19, 11+12). Ein gewaltiges Erdbeben erschüttert die Erde und wieder denkt Elia: das ist er. Und wieder heißt es: „Gott war nicht in dem Erdbeben“. Auch in dem lodernden Feuer, das Elia erlebt, ist Gott nicht zu finden. Da plötzlich spürt Elia einen zarten Lufthauch, ein „leichtes Säuseln“ wie Martin Luther übersetzt. Und er weiß: Gott ist an meiner Seite. Er packt seinen Rucksack und zieht seinen Weg mutig und gestärkt weiter.

Vom Wind in den Haaren erzählen die Menschen auf der Himmelsschaukel und wer weiß: könnte nicht auch da für sie Gott zu spüren sein? Nicht in mächtigen Worten, die erklären und deuten, nicht in gewaltigen Klängen, die den großen Kirchraum füllen, sondern in einem leichten Schwingen zwischen den bunten Farben von Alfred Manessier, dem Künstler unserer Kirchenfenster? Wenn Menschen so berührt sind von dieser Erfahrung, so sehr davon erzählen möchten und gestärkt und mit einer großen Freude weiterziehen – dann kann das durchaus etwas mit Gott zu tun haben.

Einfach sein

Aber was mache ich da: fange doch wieder an zu erklären und zu deuten. Wie wunderbar kann es sein, einfach mal Stille zu halten, die ewigen Fragen einmal sein zu lassen, sich einfach einzulassen auf die Einladung, Platz zu nehmen auf einem Schaukelbrett und sich aufzuschwingen. Sich selbst zu spüren: ich atme, ich schwinge, ich bin da. Kindheitserinnerungen tauchen auf, ein Lachen auf meinem Gesicht. Meine Seele atmet auf. Ein Moment der Glückseligkeit. Wie wertvoll, dass es solche Momente gibt. Und wie schön, dass Menschen sie in unserer Kirche erleben können.

Gesegnete Grüße
Pastor Stephan Kreutz