Freitag, 09. Februar 2024

Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche

Eine Stellungnahme von Unser Lieben Frauen

Die 2020 von der EKD in Auftrag gegebene FORUM-Studie (https://www.forum-studie.de) hat nun bei der Veröffentlichung im Januar Ergebnisse präsentiert, die vielleicht für manche erwartbar waren, gleichwohl aber erschütternd sind.

Auch in der evangelischen Kirche gab und gibt es nicht nur eine erhebliche Zahl von Fällen sexualisierte Gewalt, sondern es gibt Menschen, die im kirchlichen Rahmen zu Opfern wurden. Es gibt Menschen, deren Leben durch sexualisierte Gewalt betroffen, geschädigt und traumatisiert wurden. Die FORUM-Studie zeigt unmissverständlich, sexualisierte Gewalt gab und gibt es nicht nur in der Familie, in Sportvereinen, in der Schule, in therapeutischen Settings, in Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe oder in Räumen der digitalen Kommunikation, sondern eben auch in evangelischen Kirchengemeinden, und zwar nicht nur in Einzelfällen.

Dass man dies konstatieren muss, ist umso bestürzender, wenn man bedenkt, dass Kirche etwa im Unterschied zu Sportvereinen eine klare Botschaft kommuniziert, nämlich die bedingungslose Liebe Gottes, die zu bedingungsloser Nächstenliebe aufruft. Die Botschaft wird durch sexualisierte Gewalt nicht nur in Frage gestellt, sie wird konterkariert. Das damit verbundene Fehlverhalten der Täter (zu 99 % männlich) etwa nur durch die strukturellen Gegebenheiten zu erklären, greift ebenfalls zu kurz. Die Täter haben sich im Raum der Kirche schuldig gemacht.

Die Bremische Evangelische Kirche hat im Verlauf der Studie insbesondere die Personalakten der Pfarrpersonen in Gänze gesichtet und anders als es die Berichterstattung in der Presse vielleicht vermuten lässt, alle geforderten Daten geliefert. Für den betrachteten Zeitraum von 1946 bis 2020 wurden sämtlich vorliegenden 850 Personalakten der Pfarrpersonen sehr genau durchgesehen. Dabei wurden acht Verdachts-Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch identifiziert. (https://www.kirche-bremen.de/aktuelles/presse-service/nachrichten-details/bremische-evangelische-kirche-begruesst-forum-studie-1/).

Im Nachgang der Studie haben sich noch weitere Geschädigte gemeldet, die jeweils einer verdächtigen Person zugeordnet werden konnten. Wünschenswert wäre es, wenn sich alle weiteren Opfer melden und sich Gehör verschaffen würden.

Was ist zu tun? Die Fälle der EKD-Studie müssen selbstverständlich aufgearbeitet werden, soweit das noch möglich ist. Opfer müssen gehört und es muss ihnen Vertrauen geschenkt werden. Es muss eine Wiedergutmachungsbereitschaft ersichtlich werden, insbesondere in den Fällen, in denen nichts wieder gut gemacht werden kann. Und es muss eine Sensibilität entstehen, die Strukturen, die sexualisierte Gewalt begünstigen, sichtbar macht.

Aber auch wir selbst sind in unserer Gemeinde gefordert, dem Potential zur sexualisierten Gewalt entgegenzutreten. Zusammen mit unserer Schwestergemeinde St. Ansgarii, mit der wir in vielen Bereichen kooperieren, setzen wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln für den Schutz vor sexualisierter Gewalt ein und treffen hierfür geeignete Vorkehrungen. Unter Aufnahme von Verhaltensstandards der Gewaltschutzrichtlinie der Evangelischen Kirche Deutschland von 2019 und weiteren Handreichungen, auch der Bremischen Evangelischen Kirche, bemühen wir uns um eine Kultur des Hinsehens und Hinhörens und der Wahrung körperlicher und persönlicher Grenzen aller Menschen, die in unsere Gemeinde kommen. Im Licht der Ergebnisse der FORUM-Studie hinterfragen und überarbeiten wir aber zurzeit auch unser Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und machen dieses öffentlich.

Die Haupt- und Ehrenamtlichen in unserer Gemeinde und auch in St. Ansgarii wünschen sich sehr, dass Menschen trotz der Ergebnisse der FORUM-Studie weiterhin genau so gerne wie bisher in unsere Gemeinden kommen, dass insbesondere Kinder und Jugendliche sich bei uns weiterhin so entfalten und zu starken Persönlichkeiten werden wie bisher, und dass sie bei uns weiterhin Vertrauen gewinnen und haben: zu uns, zu sich selbst und vor allem: zu Gott.

Die Pastores und Bauherren von Unser Lieben Frauen